Troja
Mykenisches Intermezzo
Der Himmel war bewölkt und es ging ein starker Wind, als die königliche Staatsgaleere in den Hafen von Mykene einlief. Früher wäre dieser Wind auf hoher See für sie willkommen gewesen, aber durch die Dampfantriebe war er mittlerweile überflüssig. Zumindest für moderne Schiffe, wie die königliche Galeere oder die meisten trojanischen Kriegsschiffe. Von der Reeling aus betrachtete Daenerys das Ufer des großen und durchaus imposanten Mykenes mit seinen Palästen, Statuen und Mauerwerken.
Am Hafen sollte wie zuvor in Ithaka eine Delegation auf sie warten. Angeführt vom Statthalter Aigisthos, der strenggenommen ein Vasall von Telemachos aus Ithaka war.
Doch als das königliche Gefolge mykenischen Boden betrat, erwarteten sie keine hohen in feinen und prachtvollen Gewändern gekleidete Würdenträger, sondern nur ein Haufen ärmlich aussehender Männer, die um eine Audienz bei der Königin ersuchten. Memnon wollte sie verscheuchen lassen, aber Dany ließ sie zu sich vor. Ihr Anführer, der wohl schon die 50 überschritten hatte, warf sich vor Dany auf die Knie. „Euer Hoheit, lange haben wir auf eine Gelegenheit gewartet mit euch sprechen zu können. Habt dank, dass ihr uns anhört. Mein Name lautet Eumaios“ „Erhebt euch. Ich möchte mir euer Anliegen auf Augenhöhe anhören.“ Unbeholfen kam der Mann wieder auf die Beine. „Wir sind euch überaus dankbar, dass ihr uns damals befreit habt. Als ihr durch die Tore Mykenes eingezogen seid, bin ich hinaus und habe auch zugejubelt. Wie so viele tausend andere auch. Doch, es fällt mir schwer euch dies zu sagen.“ Er geriet ins stottern. „Habt keine Furcht, sprecht offen mit mir.“ beruhigte Dany ihn. Ihre Stimme klang dabei mild, denn sie bemerkte, dass Eumaios Angst hatte ihr das zu sagen. „Euer Hoheit unsere Lebensbedingungen. Sie lassen uns in den selben notdürftigen Unterkünften wie damals dahinvegetieren. Sie bezahlen uns kaum und sie geben uns nur Reste zu essen.“
Dany wollte nicht glauben, was ihre Ohren gerade hörten. „Das kann nicht sein. Ich habe viel Gold hiergelassen, um eure Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu verbessern.“
„Es ist aber so. Kommt in unsere Unterkünfte und überzeugt euch selbst!“ rief ein jüngerer Mann aus Eumaios Gefolge. Memnon warf ihm einen bedrohlichen Blick zu und seine Hand glitt an den Halter seiner Waffe. Dany berührte ihn an der Schulter und hielt ihn so zurück. „Ich werde dem selber nachgehen und wenn das stimmt, was ihr sagt, dann werde ich mich darum kümmern.“
Gerade in dem Moment tauchte endlich Statthalter Aigisthos auf.
Überschwänglich verbeugte er sich vor der Königin und hieß sie in Mykene willkommen. Seine bunten Gewänder flatterten im Wind und er zeigte der Königin breit grinsend seine gelblich verfärbten Zähne. „Es ist mir eine Ehre euch in Mykene zu begrüßen, oh Königin aller Könige. Verzeiht meine Verspätung, aber die Aufgaben eines Statthalters sind lang und zeitraubend. Darf ich euch einladen in meinen Palast zu kommen?“
„Das dürft ihr, aber zuerst möchte ich die Quartiere der Befreiten sehen. Ihr werdet mich dorthin begleiten, Statthalter.“ Sein Grinsen wich augenblicklich aus dem breiten Gesicht. „Das ist nicht notwen...“ wollte er sagen. „Ich denke schon.“ unterbrach Dany ihn. Wortlos folgte der Statthalter ihr zu den ärmlichen Massenunterkünften, wo die Befreiten auch nach dem Fall Mykenes hausten, trotz großer zugesprochener Geldmittel. Es sind quasi die selben Quartiere, die die meisten von ihnen schon als Sklaven bewohnten.
Dany hatte nichts Gutes erwartet, aber das, was ihre Augen sahen, verschlug ihr die Sprache. Die Gassen waren verengt und schlammig. In der Mitte floss ein Rinnsal Urin.
Nichteinmal eine Kanalisation gibt es hier Dany zog angewidert ihr Kleid ein wenig nach oben, damit der Saum nicht völlig ruiniert wurde von diesem aus Unrat und Matsch bestehenden Pfad.
Der Gestank von Urin, Kot, Schweiß und Dreck zog ihr in die Nase und ließ es ihr flau im Magen werden. Die Menschen saßen an den Rändern ihrer Hütten, wenn man diese Behausungen als solche bezeichnen wollte und schauten sie aus großen ungläubig starrenden Augen heraus an. Sie in ihren bunten Stoffen gekleidet und mit ihrer dreiköpfigen Drachenkrone auf dem silberblonden Haupt musste ihnen wie eine Erscheinung aus einer anderen Welt vorkommen. Viele riefen sie „Mhysa“ oder „Mitera“ zu und berührten sie an ihren Beinen, als sie vorbeiging. Manch einer fiel vor ihr auf die Knie, andere wiederum schauten sie nur ausdruckslos an. Weiter vorne sah Dany kleine Kinder, die versuchten über den Uringraben auf die andere „Straßen“-Seite zu wechseln. Überall, wo sie sich umschaute sah sie nur Elend und Not.
Das kann nicht wahr sein. Wie konnte mir das entgehen? Sie rief den nervös dreinschauenden Statthalter zu sich. „Aigisthos, was ist hier geschehen? Ich habe eine große Summe Golddrachen hiergelassen für die Instandhaltung und den Ausbau der ärmeren Wohngebiete, der Schaffung neuer Werkstätte und Produktionshallen und der Vergabe von Ackerland an junge Familien. Doch ich sehe nichts von all dem.“ Ihr Tonfall klang dabei äußerst vorwurfsvoll. „Eure Majestät, so was kostet Unsummen. Selbst eure großzügigen Mittel reichten nicht. Außerdem gab es Probleme mit den Bauarbeitern. Seit dem die Leute frei sind, arbeiten sie nicht mehr. Sie liegen nur den ganzen Tag herum. Deshalb beanspruchte auch niemand eure Hilfsprojekte.“ In ihrem Inneren stiegen mit jedem seiner Worte immer mehr die Flammen ihres Zorns auf. „Ich mag nur ein junges Mädchen sein, dennoch bin ich nicht so dumm euch das zu glauben.“ gab sie gereizt von sich.
Etwas geht immer für Korruption drauf und irgendwo entstehen Mehrkosten, aber dass sich gar nichts tat...niemals! „Was habt ihr mit diesem Geld gemacht, Statthalter. Ihr wart dafür verantwortlich?“ Noch ehe er zu einer Antwort ansetzen konnte fuhr sie fort. „Spart euch eure Worte. Ich weiß was geschehen ist. Ihr habt alles in eure Taschen gesteckt und mein Volk musste darben, stimmts?“ „Aber nein, mitnichten...“ „Wachen, ergreift diesen Mann!“ schnitt ihre Stimme durch die Luft. Augenblicklich waren Danys Gardisten über ihn. Die Wachen des Aigisthos versuchten ihren Herrn zu beschützen, aber sie wurden niedergemacht. „Ihr irrt euch, nie würde ich mir wagen auch nur eine eurer Goldmünzen anzurühren. Die Hand möge mir abfallen, wenn ich nur daran gedacht hätte...“ „Das wird sie vielleicht sogar. Führt ihn ab!“ Jetzt erst bemerkte Dany wie sich zahllose Menschen in den Gassen drängten und von ihren kümmerlichen Fenstern und Türen ihrer primitiven Lehm- und Strohbauten aus zuschauten. „Es tut mir leid, wie ihr hier in der Vergangenheit leben musstet. Ich wollte, dass ihr gute Unterkünfte, anständiges Essen und bezahlte Arbeit erhaltet, aber nichts davon ist geschehen. Als eure Königin gebe ich euch mein Wort, dass sich das mit dem heutigen Tage ändern wird!“
Viel schwungvoller und kräftiger als zuvor erklangen nun die „Mhysa!“-Rufe und schwollen zu einem Chor an, der von den ärmlichen Gassen der Befreitenunterkünfte hin zu den prächtigeren Teilen der Stadt hallen musste. Alle, selbst diejenigen, die ihr vorher nur regungslos hinterher starrten, kamen nun freudig auf sie zu. Ihre Gardisten konnte sie nicht alle zurückhalten. Dany reichte vielen ihre Hände und zwang sich zu Lächeln, obwohl ihr gerade alles andere als zum Lächeln zu Mute war. Fremde Hände, deren besitzer sie wie eine Göttin anblickten, berührten sie an ihren Beinen, Armen, Schultern etc..
Die Leute glaubten mittlerweile, dass es Glück brächte sie zu berühren und wenn hier einige zu zweifeln anfingen, so waren jene Zweifel durch ihren Auftritt wieder beseitigt. Manche von ihnen küssten ihr vor Dankbarkeit die Füße, darunter auch Euaimos, der sie erst hierher führte. Sie half ihm wieder auf die Beine. „Ich habe euch zu danken, dass ihr mir die Augen geöffnet habt.“
Zu ihren Kindern, wie sie die Befreiten und auch ihr ganzes Volk als ganzes bezeichnete, war sie warmherzig und liebevoll. Obwohl sie in ihrem Inneren noch wütend war. Wütend darüber, dass dieser feiste Aigisthos sich die ganze Zeit mit den edelsten Köstlichkeiten, wie Wachteln und in Honig glasierte Ziegen den Bausch vollschlug und dazu vermutlich den goldenen Wein von Rhodos genoss und Gewänder aus feinster Seide trug, während diese Menschen hier im Dreck darben mussten, weil er das alles mit den Mitteln bestritt, die für sie gedacht waren.
Auf Danys Befehl hin gingen sämtliche Schiffsbesatzungen ihrer Begleitflotte an Land, marschierten auf den Statthalterpalast zu, entwaffneten Aigisthos verbliebene Wachen und nahmen alle seine Beamten fest. Um Unruhen zu vermeiden ließ sie die in den umliegenden Kastellen lagernde Legion in die Stadt beordern. Die Stadtwache von Mykene versicherte ihr ihre Loyalität, dennoch ließ Daenerys den Kommandanten durch einen ihrer eigenen Offiziere ersetzen.
Aigisthos war kein sehr widerstandsfähiger Mann. Es reichte schon ihm gewisse Verhörgerätschaften zu präsentieren und er gestand alles. Er riss den Hauptteil des Geldes an sich und ließ sich davon unter anderem eine prächtige Palastanlage außerhalb der Stadt errichten. Kleinere Geldmengen gingen an diverse Beamte, um ihre Verschwiegenheit zu kaufen.
Daenerys war über das ganze Ausmaß der Korruption überaus zornig. Sie ließ das ganze Vermögen des Aigisthos konfiszieren und da jenes nicht ausreichte, um die entwendeten Mittel wieder aufzuwiegen, musste seine ebenfalls wohlhabende Verwandtschaft den Rest aufbringen. Darüber hinaus verurteilte sie ihn zum Tode. Aigisthos wurde auf der Agora gegeißelt und ausgepeitscht. 40 Hiebe erhielt er, ehe sein Kopf auf dem Richtpflock landete und kurz darauf unter den Schmährufen der Menge auf den Boden rollte.
Memnon riet ihr von dieser äußerst harten Strafe ab und schlug ihr stattdessen vor Aigisthos zu verbannen, da seine Familie in Mykene überaus einflussreich war. Aber davon wollte sie nichts hören. „Sein Name und sein Einfluss werden ihn nicht vor der verdienten Strafe bewahren." war alles, was sie zu diesem Ratschlag zu sagen hatte.
Seine korrupten Beamten erhielten jeweils 20 Peitschenhiebe und 3 Jahre Kerkerhaft, außerdem sollten sie nach Verbüßung dieser Strafe Mykene verlassen. Die Königin setzte einen neuen Statthalter und neue beamte ein. Dieses Mal nicht aus dem einheimischen Adel, sondern aus dem entfernten Ithaka, zu welchem Mykene im Lehnsverhältnis stand. Um sicher zu gehen, dass sich dergleichen nicht erneut wiederholen würde, ernannte die Königin den armen Befreiten Euaimos zu ihrem Quästor und erteilte ihm alle nötigen Vollmachten, um gegen jegliche Korruption vorzugehen.
Noch vor ihrer Abreise begannen die ersten Bauarbeiten für die neuen Befreiten-Unterkünfte und mit einem zufriedenen Gefühl und umjubelt von all jenen, denen sie zu einem besseren Leben verhalf, ging Dany an Bord ihres Schiffes und verließ Mykene.
In Troja erwartete sie jedoch keine Erholungspause. Zwar konnte sie dieses Mal am Abend ihrer Ankunft in Ruhe ihr heißes Bad genießen und im Anschluss ungestört auf ihrem weichen und kuscheligen Bett einschlafen, aber es warteten weitere Angelegenheiten auf sie...
Im Ratssaal waren neben ihr nur die wichtigsten Männer anwesend. Aeneas, ihr bäriger Schatten Memnon, Troilos und Balisch waren mit ihr alleine um eine äußerst wichtige Angelegenheit mit ihr zu besprechen.
„Nun euer Gnaden, wir wissen um euren Verlust im letzten Jahr...“ begann Troilos und Balisch sprach für ihn emotionsloser weiter. „Aber ihr seid die Königin und habt Pflichten gegenüber eurem Volk.“
Dany wusste sofort, was sie von ihr wollten. „Ich soll heiraten meint ihr?“ Der Gedanke gefiel ihr zur Zeit ganz und gar nicht. Denn sie war noch nicht über Odysseus hinweg und wusste nicht, ob sie das je sein würde.
„Ja, es wäre zum Wohle des Reiches, Troja braucht einen Erben und ihr seid die Letzte eures Hauses.“
Balisch war nicht gerade ein besonders einfühlsamer Mensch. Das wurde Troilos nun klar. „Denkt auch an euch. Ihr seid viel zu jung und zu schön, um ewig allein zu bleiben. Vielleicht würdet ihr durch solch eine Heirat wieder etwas Glück finden. Ich weiß, wie sehr ihr um Odysseus trauert.“ Versuchte er sie zu überzeugen, doch Dany reagierte stur.
„Das wisst ihr nicht! Ich werde nicht heiraten, zumindest noch nicht!“
„Aber die Bindung, welche wir ins Auge fassen, würde eurem Volk große Vorteile verschaffen...“
„Wenn es schon um meinen künftigen Gemahl geht, sollte ich wissen wer es sein soll?“
„ Prinz Prometheus von Byzanz, der zweite Sohn von König Sarapion.“
Eine politische Verbindung mit Byzanz. durchfuhr es Dany. Die Idee an sich wäre gar nicht so schlecht, aber dennoch kostete es sie Überwindung darauf einzugehen.
Warum konnten sie nicht in einem Jahr damit kommen?
„Ja, im Falle eurer Vermählung würde ein alter Traum wieder in greifbare Nähe rücken, sich gar erfüllen.“ Troilos schien von diesem Gedanken selber sehr angetan zu sein.
„Und wenn ich nicht will?“
„Wäre das eine schwere Beleidigung unseres Verbündeten. König Sarapion ist mit seinem Sohn bereits auf dem Weg nach Troja.“
Sie haben mich vor vollendete Tatsachen gestellt. wurde ihr klar und diese Erkenntnis gefiel ihr ganz und gar nicht.
„Also was erhalten wir für diesen Kuhhandel?“ Man merkte Dany ihre fehlende Begeisterung an und es ging noch eine Weile so weiter. Schließlich gab sie sich zumindest damit einverstanden den Prinzen kennenzulernen, um einen Eklat zu vermeiden, obwohl sie ihre Berater dafür rügte das nicht vorher mit ihr besprochen zu haben.
Im Anschluss erhielt sie Nachricht von ihrer Gesandtschaft aus Rovarn und ein Gesandter der Hochelfen von Essos erwartete sie. Dany empfing ihn und so wurde ein Nichtangriffspakt und ein Handelsabkommen zwischen den Reichen geschlossen.
Auch mit Rovarn würde der Handel eröffnet werden. Zumindest mit den Gruppierungen des „failed states“, die Troja wohlgesonnen waren. Mit den Anarchisten war wohl wenig zu machen. Die Abneigung jedenfalls beruhte auf Gegenseitigkeit. Dany missfiel schon die komplette Philosophie der Arnachos, nach der Schwächere schutzlos den Stärkeren ausgeliefert wären.